Gert Pinkernell

Merkblätter zur Einführung in die Literaturwissenschaft (Französisch)

(Wuppertal 2002)

Die nachfolgenden "Merkblätter" versuchen in Kurzform etwa dasjenige Basiswissen zu vermitteln, über das durchschnittliche (Franko)Romanistik-/Französischstudenten (auch Nebenfächler) verfügen sollten. Sie wurden den Studienanfängern im Fach Romanistik der Bergischen Universität Wuppertal in den von mir gehaltenen Einführungsseminaren der Wintersemester 1991/92 bis 2002/03 zur Verfügung gestellt und über die Jahre hinweg immer wieder verbessert.

1.  Begriffe der französischen Verslehre (la métrique)

Der Vers (le vers)

Der traditionelle französische Vers wird anders "gemessen" als der deutsche. Im letzteren misst man Hebungen und Senkungen, wobei nur die Hebungen zählen, vgl. den vierhebigen Trochäus "Máx und Móritz, díese béiden" oder den vierhebigen Jambus "In állen Wípfeln spürest dú" oder den vierhebigen Daktylus "Pfíngsten, das líebliche Fést, war gekómmen". Im französischen Vers dagegen (wie übrigens auch im italienischen und spanischen) misst man die bloße Silbenzahl (le nombre des syllabes). So ist z. B. der Vers "Sans autre forme de procès" achtsilbig (wobei die jambische Struktur eher zufällig ist und unberücksichtigt bleibt), und der Vers "[ils]/ Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers" ist zwölfsilbig. Hierbei ist zu beachten, dass ein unbetontes bzw. in der heutigen Aussprache normalerweise stummes e wie in prennent oder vastes gesprochen werden muss und somit zählt und dass Diphthonge wie das oi in oiseaux normalerweise als einsilbig rechnen.

Die häufigsten Versformen der französischen Lyrik (la poésie française) sind der Siebensilber (heptasyllabe), der Achtsilber (octosyllabe), der Zehnsilber (décasyllabe) und der Zwölfsilber (alexandrin). Gezählt wird allerdings immer nur bis zur letzten betonten Silbe des jeweiligen Verses. Eine unbetonte Schlusssilbe mit e als Vokal wird nicht mehr mitgerechnet, vgl. den Vers "Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage", wo die Schlusssilbe –ge nicht mehr zählt (während das e in hommes gesprochen werden muss, die Silbe –mes also zählt).

Zu beachten ist auch, dass innerhalb eines Verses ein unbetontes –e am Wortende vor einem mit Vokal beginnenden nachfolgenden Wort in der Regel nicht gesprochen und gezählt, sondern durch "Elision" (élision) getilgt wird, vgl. den Vers "Le poète est semblable au prince des nuées", wo das auslautende –e in poète vor dem darauffolgenden est und das –e in semblable vor dem au elidiert werden (während das –e in prince gesprochen werden muss). Ein Sonderfall ist die Diärese (diérèse), die vorliegt, wenn ein eigentlich zu elidierendes auslautendes –e dennoch gesprochen werden muss, damit die Silbenzahl des Verses stimmt, oder wenn aus demselben Grund ein Diphthong, der normalerweise einsilbig ist (z. B. in amitié oder ieu in précieux), zweisilbig zu sprechen ist.

Längere Verse werden oft durch eine regelmäßig eintretende Zäsur (césure) in zwei Halbverse (hémistiches) geteilt; dies gilt praktisch immer für den Alexandriner, vgl. den Vers "A peine les ont-ils | déposés sur les planches". Nicht selten übrigens fällt die Zäsur zusammen mit einer Elision, vgl. den Vers "Qui hante la tempête | et se rit de l'archer", wo, da das auslautende –e von tempête vor dem nachfolgenden et elidiert wird, die Zäsur quasi auf dem elidierten e liegt.

Weitere wichtige Begriffe sind:

Die Liaison (la liaison): Die hörbare Verbindung des Schlusskonsonanten eines Wortes mit dem Anfangsvokal des nachfolgenden. Die Liaison wird im tradionellen Vers sehr viel konsequenter durchgeführt als in der gesprochenen Sprache, vgl. "les gouffres amers" oder "vos bergers et vos chiens".

Das Enjambement (l'enjambement): Das (wörtlich übersetzt) "Hinübersteigen" eines Satzes von einem Vers in den nächsten; vgl. z. B. "Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage / Prennent des albatros [...]", wo das Subjekt les hommes d'équipage und das Prädikat prennent durch das Versende getrennt sind. (Kein Enjambement liegt vor, wenn das Versende relativ selbständige Satzteile trennt, die auch beim normalen Sprechen durch eine kürzere Pause voneinander abgesetzt wären.)

Der Refrain (le refrain): Ein am Ende jeder Strophe wiederkehrender Vers (dt. auch Kehrreim genannt)

Der Reim (la rime)

Zwei Verse reimen, wenn ihr jeweils letztes Wort ab dem letzten betonten Vokal identisch endet (vgl. erdácht / gelácht; vermíttelte / bekríttelte; critiquér / corrigé; incorrigeáble / instáble). Reimpaare in Serie (aabbccdd usw.) heißen "rimes plates" oder "rimes suivies". Reime nach dem System abab sind Kreuzreime (rimes croisées). Reime nach dem System abba sind umarmende Reime (rimes embrassées). Bei längeren Strophen gibt man in der Regel nur das bloße Reimschema (schéma métrique) an, z. B. ababbccdcd.

Die französische Metrik unterscheidet übrigens "männliche" und "weibliche" Reime (rimes féminines/masculines). Weiblich sind Reime, die auf eine unbetonte Silbe enden, z. B. équipage / voyage oder hanches / blanches; männlich sind die auf eine betonte Silbe endenden, z. B. marathon / allons oder allait / complet. Der regelmäßige Wechsel von männlichen und weiblichen Reimen, der bis ins 19. Jh. hinein sehr häufig ist, heißt "alternance".

In französischen Versen sehr häufig sind "reiche" Reime (rimes riches). Sie liegen vor, wenn Reimwörter nicht erst vom letzten betonten Vokal an reimen, sondern schon ab dem Konsonanten davor, z. B. la guerre / ne ...guère oder laid / volait. (Beginnt der Reim sogar noch früher, spricht man von "rime très riche" oder "rime léonine", z. B. volait / contrôlait.)

Neben dem Reim gibt es die Assonanz (assonance), die zumal in der frühen mittelalterlichen Literatur häufig ist. Assonanz liegt vor, wenn lediglich die Tonvokale der jeweils letzten betonten Silbe identisch sind, vgl. z. B. mer / mais oder bonne / folle.

Die Strophe (la strophe)

Die Strophen bemessen sich im allgemeinen nach der Zahl der Verszeilen, die sie umfassen. Die häufigsten Strophenformen sind der Vierzeiler (quatrain), der Sechszeiler (sixain), der Achtzeiler (huitain) und der Zehnzeiler (dixain). Strophen mit nur zwei Zeilen (distique) oder dreien (tercet) sind eher selten, ebenso solche mit mehr als zehn Zeilen.

Ganz wie die deutsche Verslehre kennt auch die französische feste Gedichtformen (poèmes à forme fixe), z. B das Sonett (le sonnet) oder das Rondeau (le rondeau). Ohne Äquivalent in der deutschen Literatur ist die spätmittelalterliche Ballade (ballade), eine damals sehr gängige Gedichtform, die in der Regel aus drei Strophen plus abschließender Halbstrophe (Geleitstrophe bzw. envoi) besteht. Andere lyrische Gattungen sind über ihre Inhalte definiert, wie z. B. die Ode (l'ode), deren Themen ernst und würdig zu sein haben.

Seit dem 19. Jh. und zumal im 20. wird zunehmend auch in sog. freien Versen (vers libres) gedichtet, d. h. in Versen, die a) nicht reimen, b) keinem festen metrischen Schema gehorchen, sondern nur rhythmischen Kriterien (le rythme, rythmique) und c) keine einheitlichen Strophen bilden, sondern nur Sinnabschnitte.

Daneben gibt es – besonders häufig im späten 18. und frühen 19. Jh. – auch rhythmische Prosa (prose rythmée), naturgemäß überwiegend in Prosatexten mit lyrischer Tendenz.

Das lyrische Ich (le moi): Das "ich" in lyrischen Texten, das in der Regel nicht mit der Person des Autors identisch ist, sondern ein Konstrukt (wenn auch oft mit autobiografischen Elementen) darstellt.

2. Kleine Terminologie zur Erzähltheorie (la narratologie)

Erzähler (le narrateur): Der Begriff meint zumeist den Autor in seiner Rolle als Verfasser eines erzählenden Textes (narration), und nicht z. B. eines Gedichts oder Dramas. Als Erzähler bezeichnet man aber auch die in jedem erzählenden Text gewissermaßen abstrakt vorhandene Instanz, aus deren Perspektive die Handlung und die Personen gesehen werden und die Geschichte erzählt und so dem Leser vermittelt wird. Das Vorhandensein einer solchen Mittler-Instanz ist das Hauptmerkmal der erzählenden Gattungen – im Gegensatz etwa zur Lyrik oder zu den dramatischen Gattungen, wo es keine solche Instanz gibt, sondern wo das lyrische Ich (le moi) gewissermaßen unvermittelt vor dem Leser monologisiert bzw. die jeweils sprechende Figur (personnage) den anderen Figuren und damit dem Zuschauer/Leser ihre eigene Perspektive unvermittelt präsentiert.

Ich-Erzähler (narrateur [à la première personne], le je): Eine vom Autor als Fiktion eingeführte Person/Figur, der die Erzählung in den Mund gelegt ist und die sie in der ersten Person Singular erzählt. Hierbei gibt es zwei Typen: Am häufigsten ist das erzählende Ich, das im Rückblick mehr oder weniger zurückliegende Erlebnisse seiner selbst als erlebenden Ichs berichtet und damit als jetzt Erzählender und als einstige Hauptperson zugleich auftritt. Neben diesem traditionellen Ich-Erzähler, der außerhalb der Handlung stehend (als narrateur extradiégétique) zurückliegende Ereignisse berichtet (und entsprechend überwiegend Vergangenheitstempora benutzt) findet man in der neueren Literatur häufig den Typ des quasi mitten in der Handlung stehenden und erlebenden, d. h. nicht rückblickenden (und entsprechend überwiegend im Präsens berichtenden und reflektierenden) Ichs (narrateur intradiégétique).

Rahmenerzähler: Ich-Erzähler (vom Typ des narrateur extradiégétique), dem eine meist kurze Erzählung in den Mund gelegt ist, die als "Rahmen" (cadre) eine andere, normalerweise längere Erzählung einleitet oder umschließt. Diese "Binnenerzählung" (récit encadré), die in der Regel die Haupthandlung darstellt, hat dann ebenfalls häufig die Form einer Ich-Erzählung, wobei dieser zweite Ich-Erzähler normalerweise nicht mit dem ersten identisch ist. Rahmen und Binnenerzählung können aber auch die eine in der ersten, die andere in der dritten oder auch beide in der dritten Person erzählt sein.

auktoriale Erzählsituation: Der Erzähler ist beim Erzählen der Geschichte seiner Personen/Figuren quasi allwissend und mehr oder weniger deutlich wertend im Hintergrund präsent, tritt mitunter sogar mit kommentierenden Bemerkungen, mit Vorankündigungen späterer Ereignisse oder mit kleinen Anreden an den Leser in den Vordergrund. Eine Sonderform der auktorialen Erzählsituation ist die traditionelle Ich-Erzählsituation, da hier der Ich-Erzähler als Rückblickender (narrateur extradiégétique) ja per definitionem allwissend und omnipräsent (omniscient et omniprésent) ist.

personale Erzählsituation: Der Erzähler bleibt quasi unsichtbar, die Geschehnisse werden aus der Perspektive der jeweils handelnden oder denkenden Personen berichtet. Sehr viele (die meisten?) erzählenden Texte bieten ein Gemisch aus auktorialen und personalen Erzählsituationen, wobei im traditionellen Roman "à la Balzac" die auktoriale Erzählsituation dominiert. (Ein Beispiel aus Gustave Flauberts Madame Bovary von 1857: "Mais une folie la saisit: [= auktorial] il la regardait, c'est sûr ! [= personal] Elle eut envie de courir dans ses bras pour se réfugier en sa force. [= auktorial])"

erzählte Zeit (le temps de l'histoire): Die Zeit, die gemäß den präzisen oder auch nur vagen Zeitangaben des Erzählers während der Gesamthandlung bzw. den einzelnen Episoden eines Romans/einer Erzählung vergeht.

Erzählzeit (le temps du récit): Die Zeit, die – gemessen an der Menge der Wörter des Textes – der Erzähler braucht, um die Handlung bzw. einzelne Episoden zu berichten (und die entsprechend der Leser/Zuhörer braucht, um sie aufzunehmen). Der Terminus Erzählzeit hat seine Funktion eigentlich nur als Korrelat zu dem der erzählten Zeit.

zeitraffendes Erzählen: Die erzählte Zeit ist deutlich länger als die Erzählzeit, z. B. wenn die Ereignisse mehrerer Wochen in einigen Zeilen resümiert werden.

zeitdeckendes Erzählen: Die erzählte Zeit ist etwa gleich lang wie die Erzählzeit (z. B. bei der genaueren Schilderung von Vorgängen oder in Dialogen).

zeitdehnendes Erzählen: Die erzählte Zeit ist deutlich kürzer als die Erzählzeit (z. B. bei eingeschobenen, den Gang der Handlung verlangsamenden Beschreibungen, Reflexionen, Kommentaren u. ä.).

Figur/Person (le personnage): Die Personen/Figuren sind vom Autor teils intuitiv, teils bewusst geformte Konstrukte, die die Handlung tragen. Sie sollen in der Regel real vorstellbaren Menschen entsprechen und verkörpern meist zugleich Typen aus der Gesellschaft der Zeit des Autors und seiner Erstleser. Unterbegriffe sind: Haupt- bzw. Nebenperson (personnage central/secondaire), Titelheld, Protagonist (protagoniste). (Das manchmal gleichbedeutend mit Person/Figur gebrauchte Wort "Charakter" ist ein Anglizismus, der unpraktisch ist, da er nicht erlaubt, vom Charakter einer Person/Figur zu sprechen, d. h. der Gesamtheit der ihr von Autor zugewiesenen Charakterzüge.)

Aufbau (la structure, la composition): Die Einteilung und Anordnung (ordonnance) der einzelnen Episoden (un épisode) der Handlung (action). Im Einzelnen spricht man von: Haupthandlung (action centrale), Nebenhandlung (action secondaire), chronologischer oder achronischer Episodenabfolge (ordre chronologique/ non chronologique), Zeitebene (plan) der Handlung, Vorgeschichte (action qui précède, les antécédents), Rückwendung/ Rückblende (retour en arrière), Vorausdeutungen , zielstrebige, durchstrukturierte, geschlossene oder lockere Komposition, offenes Ende (fin ouverte).

Inhalt (le contenu): Die Gesamtheit dessen, was im Text enthalten und dargestellt (représenté) ist, insbesondere aber die mehr oder minder gut resümierbare Handlung.

Gegenstand/Thema (le sujet, le thème): Die sehr verkürzt und abstrakt formulierte Zusammenfassung des Inhalts, z. B. "Liebe als die Klassenschranken durchbrechende Macht", "sozialer Aufstieg gegen Widerstände", "Kritik an den Etablierten", "Generationenkonflikt".

Fabel (la fable): Die auf ihre wesentlichen Ereignisse und Entwicklungen reduzierte, so kurz wie möglich resümierte, konkrete Geschichte, z. B.: "Eine junge Frau erhebt sich mit einer Protesthandlung gegen die Staatsgewalt und muss mit dem Tod dafür büßen."

Stoff (la matière): In gewissem Umfang vorgegebenes und vorstrukturiertes Ensemble von an bestimmte Figuren gebundenen Episoden, insbesondere aus der Bibel (z. B. der Joseph-Potiphar-Stoff), aus der antiken Mythologie (z. B. der Antigone-Stoff), aus Märchen und Legenden (z. B. der Dornröschen-Stoff) oder aus älteren literarischen Epochen (z. B. der Tristan-Isolde-Stoff, Faust-Stoff, Don Juan-Stoff)

Motiv (le motif): In der Grundstruktur gleiches Versatzstück, das in jeweils unterschiedlicher Konkretisierung auftritt, z. B. das Motiv der Liebe auf den ersten Blick, des unerwarteten Wiedersehens, des betrogenen Betrügers usw.

direkte/indirekte/erlebte Rede (discours direct/indirect/indirect libre): Elle dit/pensa : "Je suis bien contente d'être à la maison !" / Elle dit/pensa qu'elle était bien contente d'être à la maison. / Comme c'était bien d'être à la maison !

innerer Monolog (monologue intérieur): "Que je serais contente d'être à la maison ! J'y pourrais lire, ne rien faire... Mais que diront les autres si je m'en vais ? Elles vont sûrement penser mal de moi [etc.]." Ein Spezialfall des inneren Monologs ist die Stream-of-consciousness-Technik, wo ein reflektierendes/erlebendes Ich eher assoziativ (bzw. scheinbar assoziativ) über längere Strecken hinweg monologisiert.

Leser (le lecteur): Die konkrete Person, die einen Text (der ja nur virtuell vorhanden ist) durch Lektüre vergegenwärtigt. Da eine solche Person nie denselben Informationsstand, dieselben Vorstellungen und dieselbe Befindlichkeit wie der Autor beim Schreiben hat, sondern mit ihrem jeweils individuellen "Erwartungshorizont" an den Text herangeht, ist jede Lektüre eine notgedrungen unvollkomme Vergegenwärtigung. Der Grad der Unvollkommenheit vergrößert sich generell mit zunehmendem zeitlichen, räumlichen, sozialen u. ä. Abstand des Lesers vom Autor. Die Literaturwissenschaft hat nicht zuletzt das Ziel, diesen Abstand möglichst zu verringern.

Adressat / intendierter Leser : diejenigen Leser, die der Autor beim Schreiben des Textes im Auge hat und auf die er mit dem Text einwirken will, sei es um Zustimmung und Anerkennung zu finden, sei um zu provozieren und Veränderungen zu bewirken. Im Allgemeinen lassen sich aus einem Text ziemlich genaue Rückschlüsse über die Adressaten ableiten.

3.  Kleine Terminologie zur Gattung Drama (le drame)

Stück/Drama (la pièce): Dramatischer, d. h. zur Aufführung bestimmter Text jeglicher Untergattung. (Im Franz. bezeichnet heute das Wort le drame im allgemeinen nicht ein einzelnes Stück, sondern die Gattung Drama insgesamt.)

Komödie (la comédie): Stück mit der Intention einer Erheiterung des Publikums, in aller Regel mit glücklichem Ausgang. In Mittelalter und Renaissance diente der Begriff comedia auch zur Bezeichnung eines beliebigen Stücks bzw. der Gattung Drama insgesamt. In der klassischen französischen Dramaturgie des 17./18. Jh. durften Komödien gemäß der sog. Ständeklausel generell nicht in hochadeligem oder fürstlichem Milieu spielen, sondern nur in den unteren und mittleren Schichten, d. h. im Volk und/oder im Bürgertum.

Tragödie (la tragédie): Stück mit der Intention einer Erschütterung bzw. Rührung, Erbauung, ja "Reinigung" (Katharsis) des Publikums und mit in der Regel unglücklichem, eben tragischem, Ausgang. Dieser tragische Ausgang ist meist Ergebnis einer Schuld, in die die Protagonisten sich verstricken, in die sie aber durch ein unbeabsichtigtes oder unvermeidbares Handeln geraten, so dass sie in den Augen der Zuschauer/Leser dennoch subjektiv schuldlos bleiben. Im klassischen französischen Theater des 17./18. Jh. spielten Tragödien ausschließlich in adeligem, meist sogar in fürstlichem Milieu, gemäß der Vorstellung, dass nur hochstehende Personen tragische Schicksale haben können und dass der Sturz eines Menschen umso erschütternder sei, je höher dieser zuvor im Glück gestanden hat. Die Mischform Tragikomödie (tragicomédie) stellte nicht-tragische Handlungen in adelig-fürstlichem Milieu dar. Als mit dem wachsenden Selbstbewusstsein des Bürgertums um 1750 in Frankreich die Vorstellung aufkam, es müsse auf der Bühne ebenfalls möglich und erlaubt sein, ernste, wenn nicht gar tragische Handlungen auch in einem bürgerlichen Milieu spielen zu lassen, wurde die neue Gattung le drame (bourgeois) kreiert (die in Deutschland als "bürgerliches Trauerspiel" übernommen wurde).

Akt (un acte): Element der Unterteilung eines Stücks, und zwar das größte (an dessen Ende z. B. meist der Vorhang fällt). Die klassische Tragödie hatte in der Regel fünf Akte, seltener drei. Es gibt aber auch Einakter und – selten – Vier- oder Zweiakter. Das in der deutschen Dramatik eine Weile benutzte Äquivalent "Aufzug" hat sich nicht auf Dauer durchgesetzt.

Szene (scène): Element der Unterteilung eines Stücks, und zwar das kleinste. Innerhalb der einzelnen Szene kommen dargestellte Zeit und Darstellungszeit zur Deckung (während zwischen zwei Szenen nicht selten und zwischen zwei Akten fast immer kleinere oder größere Zeitsprünge liegen). Nach den Regeln der klassischen Dramaturgie begann eine neue Szene prinzipiell immer dann, wenn sich die Personenkonstellation auf der Bühne veränderte, d. h. wenn mindestens eine Person hinzukam (entrer en scène) oder abging (sortir de scène). Oft sind diese Szenengrenzen nur im gedruckten Text als Grenzen vorhanden, aber ohne Belang für das konkrete Spiel auf der Bühne. Das deutsche Äquivalent "Auftritt" hat sich ebenfalls nicht wirklich durchgesetzt. Ein weiteres, aber seltenes, zwischen Akt und Szene gelegenes Element der Unterteilung ist das Bild (tableau), wobei die Grenze zwischen zwei Bildern meist durch eine Veränderung des Bühnenbildes gesetzt wird und mit einem Zeitsprung einhergeht.

Replik (réplique): Das einzelne Textstück, das eine Person im Dialog mit anderen Personen jeweils spricht.

Monolog (monologue): Kürzere oder auch längere Replik, die eine allein auf der Bühne stehende Person spricht, im allgemeinen um gewissermaßen spontan und unkontrolliert ihre Gedanken und Gefühle auszusprechen. Im moderneren Theater seit der Romantik ist die Technik des Monologs als unrealistisch zurückgedrängt worden. Im Gegenwartstheater wird dagegen wieder häufig monologisiert, meist allerdings in Gegenwart anderer Figuren auf der Bühne.

beiseite sprechen (parler en aparté, un aparté): Eine in älteren Stücken, vor allem Komödien, häufige Technik, bei der die eine Person etwas quasi zu sich selber sagt, was die andere(n) Person(en) auf der Bühne in der Fiktion nicht hört/hören, wohl aber natürlich die Zuschauer.

Die drei Einheiten: des Ortes, der Zeit, der Handlung (les trois unités: du lieu, du temps, de l'action): Eine Grundforderung der klassischen Dramaturgie französischen Theaters des 17./18. Jh. war, dass die Handlung eines Stücks an ein und demselben Schauplatz spielen müsse, nicht länger als 24 Stunden dauern dürfe und keine Nebenhandlung neben der Haupthandlung haben solle. Die dramaturgische Revolution der Romantik gegen 1830 bestand nicht zuletzt darin, die drei Einheiten für obsolet zu erklären und als ein unnötiges Regelwerk abzutun, das die realistische Darstellung von Wirklichkeit im Drama nur behindere. So wenig sinnvoll es sicherlich ist, die Regel der drei Einheiten sklavisch zu befolgen, so vernünftig ist der Grundgedanke, der hinter ihnen steht, nämlich dass häufige Ortswechsel wegen der jeweils nötigen Veränderung der Szenerie die Spannung töten, dass eine Dramenhandlung überzeugender einen kurzen als einen langen Zeitraum darzustellen vermag und dass sie einigermaßen zielstrebig sein muss, wenn sie für den Zuschauer übersichtlich bleiben soll.

Dramatiker (auteur dramatique, dramaturge, écrivain de théâtre): Verfasser dramatischer Texte, Theaterschriftsteller, Dramenautor

Figur/Person (le personnage): Träger einer bestimmten Rolle (le rôle) im Stück. Nicht zu verwechseln mit der konkreten Person des Schauspielers/der Schauspielerin (acteur/actrice bzw. comédien/comédienne) in seiner/ihrer Berufsrolle.

Regisseur (metteur en scène): Person die bei der Einstudierung/Inszenierung eines Stücks Regie führt und dabei natürlich auch eine gewisse Interpretation vornimmt, die das Verständnis (die "Rezeption") der Zuschauer in eine bestimmte Richtung lenkt.

Inszenierung (mise en scène): Die Art und Weise, in der ein Stück von Regisseur und Schauspielern einstudiert und aufgeführt wird.

Uraufführung/Premiere (la création d'une pièce, créér une pièce, la première). Die allererste Aufführung eines Stücks, die früher fast immer und auch heute noch häufig vor dem Erscheinen einer gedruckten Fassung liegt. Die normale einzelne Aufführung ist la représentation.

Regieanweisung (la didascalie): Hinweise des Autors an Regisseur, Schauspieler und Bühnenbildner betreffs des Verhaltens der Personen auf der Bühne, der Art und Weise, wie der Text jeweils gesprochen werden soll, der Gestaltung des Bühnenbildes (le décor) und/oder der Kostüme (le costume), usw. In der klassischen Dramaturgie waren Regieanweisungen gar nicht oder kaum üblich. Regisseure und Schauspieler waren gewohnt, sie aus dem Text zu erschließen.

Publikum (le public): Zunächst das zeitgenössische (bei französischen Autoren in der Regel Pariser) Theater-Publikum, auf das das Stück ausgerichtet ist. Im Allgemeinen sind Theaterstücke wegen ihres meist sehr raschen Entstehens noch stärker auf das zeitgenössische Publikum und seine aktuellen Erwartungen bezogen als erzählende Texte

Kritik/ der Kritiker (la critique/ le critique): Die in Tageszeitungen, Wochen- und Monatsschriften oder anderen Periodika gedruckten Theaterkritiken von hierauf spezialisierten Journalisten oder anderen Fachleuten. In Frankreich vertritt der Begriff "la critique" übrigens auch unseren Begriff "Literaturwissenschaft" und ist unser "Literaturwissenschaftler" "un critique".

4. "Methoden" und "Ansätze" der Literaturwissenschaft

Die Literaturwissenschaft hat (wie die meisten anderen Wissenschaften auch) einen fast unendlich großen Gegenstand: das Korpus der vorhandenen, in Vergangenheit und Gegenwart produzierten literarischen Texte. Da niemand dieses Korpus als Ganzes überschauen und bearbeiten kann, wird es nach diesen und jenen, letztlich immer arbiträren Kriterien in handliche Stücke geschnitten. Den meisten Erfolg hatte hierbei die Einteilung nach Nationalliteraturen und nach Epochen, und weiter nach Autoren oder Autorengruppen, Werken oder Werkgruppen (z. B. Gattungen).

       Wie in anderen Wissenschaften auch, haben sich in der Literaturwissenschaft die Erkenntnisinteressen im Lauf der Zeit verändert, und entsprechend die Annäherungsweisen an den Text bzw. die Methoden des Ansetzens. Hierbei blieben in der Regel die als tauglich bewährten Elemente einer "Methode" (méthode) oder eines "Ansatzes" (une approche) als selbstverständlich weiterbenutze Arbeitsinstrumente erhalten, während andere, weniger taugliche, in Vergessenheit gerieten und ausschieden.

       Mit dem Wechsel der Erkenntnisinteressen, der meist den allgemeinen ideologischen Veränderungen folgte, bildeten sich fast immer literaturwissenschaftliche Schulen, d. h. Gruppen von Literaturwissenschaftlern, die im Sinne des jeweils neuen Erkenntnisinteresses eine bestimmte neue Methode oder einen neuen Ansatz entwickelten.

       Der älteste im engeren Sinne wissenschaftliche Ansatz der Literaturbetrachtung ist der positivistische, der die zweite Hälfte des 19. Jh. beherrschte. Der positivistische Literaturwissenschaftler war überzeugt, dass jeder literarische Text (wie jedes geistige Produkt) determiniert sei durch 1) die "Rasse" seines Autors (d. h. dessen Abstammung von einem bestimmten "Volk"), 2) den Zeitpunkt und 3) den Ort seiner Entstehung. Gemäß dieser Vorstellung musste z. B. ein von einem Normannen 1850 in Rouen geschriebener Roman auf spezifische Weise anders aussehen als ein von einem Bayern 1750 in Regensburg verfasster. Als Aufgabe des Literaturwissenschaftlers galt entsprechend, sich über die einschlägigen Determinanten zu informieren und dann den Text in seiner Spezifik aus ihnen zu erklären.

       Aus dem positivistischen Ansatz heraus entwickelte sich der biografistische, der um 1900 dominierte. Der biografistische Literaturwissenschaftler ging davon aus, dass das Individuum des Autors zwar auch mit seinen Erbanlagen, vor allem aber mit seiner sozialen Herkunft, seinem Werdegang, seinen Erfahrungen, seinen Vorstellungen, Überzeugungen, Manien, Traumata usw. die wichtigste Determinante seiner Werke sei, dass jeder Text also gewissermaßen Spiegel der Biografie seines Autors sei. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem Text hatte hiernach zu allererst den Zweck, ihn mit Hilfe des verfügbaren Wissens über den Autor (z. B. über seine Liebeserlebnisse) zu erklären, aber auch neues biografisches Wissen über den Autor aus ihm zu erschließen.

       In Reaktion auf den autorzentrierten biografistischen Ansatz kam nach dem Ersten Weltkrieg der geistesgeschichtliche. Der einzelne Text wurde nun vor allem gesehen als Teil der "Geistesgeschichte", d. h. der literarischen, künstlerischen, philosophischen, ideologischen usw. Strömungen seiner Entstehungszeit, in die es ihn einzuordnen und aus denen es ihn zu verstehen galt. Ein Sonderfall dieser Annäherungsweise war der russische Formalismus, der jeden Text als Punkt in einer "Reihe" sah, nämlich der Reihe der zeitlich aufeinander folgenden literarischen Texte, zu der parallel andere Reihen gedacht wurden, z. B. die Reihe der philosophischen Theorien, die Reihe der Werke der bildenden Kunst, der Musik oder anderer geistiger Schöpfungen.

       In Reaktion wiederum auf den wenig präzisen und oft spekulativen geistesgeschichtlichen Ansatz entwickelten sich solche, die vor allem auf die konkreten formalen Aspekte und den Kunstcharakter der Texte bezogen waren, z. B. die textimmanente Methode, die im Kriegs- und Nachkriegsdeutschland florierte und die einen Text nur aus sich selbst heraus analysieren, verstehen und beschreiben wollte, ohne Rekurs auf sozusagen äußerliche Faktoren. Eine extreme Version dieser formbezogenen Ansätze war die in die um 1960/70 florierende strukturalistische Methode, die sehr akribische, z. T. haarspalterische Beschreibungen von Texten, vor allem ihrer Strukturen, geliefert hat.

       Im Gefolge der 68-er "Revolution" und als Reaktion auf die textimmanente und strukturalistische Methode verbreitete sich die soziologische Methode. Ihre Vertreter postulierten, dass ein literarischer Text vor allem sozial determiniert sei, d. h. dass er bei seiner Konzeption und während seiner Produktion von den sozialen Verhältnissen (im weitesten Sinne des Wortes) geprägt werde, in denen sein Autor lebt und arbeitet, dass somit jeder Text quasi ein Spiegel der Gesellschaft seiner Zeit sei. Hierbei unterschied man gern zwischen eher "kritischen" und eher "affirmativen" Spiegelungen, ohne recht zu sehen, dass auch kritisch intendierte literarische Texte insofern affirmierend sind, als sie die Sicht des Autors und seiner Wunschleser bekräftigen.

       Ein um die gleiche Zeit beliebter, von der Psychologie Sigmund Freuds herkommender Ansatz war der psychoanalytische, der in den Texten die Äußerungen des Unterbewussten der Autoren aufzuspüren und zu beschreiben versuchte, wenn er nicht überhaupt die Essenz eines Textes in den Reflexen des Unterbewussten des Autors sah. (Dies führte oft bis zu der Abstrusität, dass man auch im Handeln der Figuren deren Unterbewusstsein am Werk glaubte, ohne zu bedenken, dass eine Figur ein bloßes Konstrukt des Autors ist und somit gar kein Unterbewusstsein haben kann).

       Ein anderer, von der Psychologie Carl Gustav Jungs herkommender Ansatz versuchte, überzeitliche "Archetypen" in den Texten zu finden, d. h. Grundmuster menschlicher Personenkonstellationen und menschlichen Verhaltens, Fühlens und Denkens, ähnlich denen, die man in Mythen, z. B. der griechischen Mythologie, konkretisiert zu finden glaubte.

       In den letzten Jahrzehnten wiederum haben sich allerlei weitere Ansätze zu etablieren versucht, z. B. die Rezeptionsästhetik. Diese beschäftigt sich nicht eigentlich mit den Texten als solchen, sondern damit, wie verschiedene Leser, insbesondere Leser verschiedener Epochen, ein und denselben Text "rezipieren" bzw. rezipiert haben. Denn ein Text ist ja kein konkretes materielles Objekt, sondern ein virtuelles, das sich erst beim Lesen bzw. beim Hören, eben bei der "Rezeption", konstituiert, wobei die Leser/Hörer unterschiedliche "Erwartungshorizonte" mitbringen, d. h. Vorstellungen und Erwartungen, die sie gewollt und ungewollt an den Text herantragen und vor denen als Hintergrund sie ihn rezipieren.

       Im Gefolge der Rezeptionsästhetik und oft befruchtet von der modernen Linguistik haben sich andere Erkenntnisinteressen und Annäherungsweisen entwickelt, z. B. die semiotische, die den Text als ein Bedeutung tragendes und Deutung erforderndes Zeichen innerhalb eines Kommunikationsprozesses sieht; oder die pragmatische, die den literarischen Text vor allem in seiner Eigenschaft als zielgerichtete, intentionale Mitteilung eines Autors an seine Leser/Hörer sieht; oder die textlinguistische, die sich u. a. mit dem Problem befasst, was eigentlich die "Literarizität" eines Textes ausmacht und wie diese exakt zu beschreiben sei. Ein anderer neuerer Ansatz befasst sich mit der Intertextualität, d. h. dem Umstand, dass jeder Text in vielfältiger Weise auf bereits vorhandenen, dem Autor direkt oder indirekt bekannten Texten ("Hypotexten"), fußt und seinerseits (im Fall, dass er von Autoren gelesen und rezipiert wird) Hypotext für weitere Texte ("Hypertexte") sein wird. Ein anderer neuerer Ansatz, der "diskurstheoretische", versucht den Text im Rahmen des oder der "Diskurse" seiner Zeit zu sehen und zu verstehen, wobei dieser Diskurs die Art und Weise darstellt, in der jeweils die Mehrheit oder eine repräsentative Gruppe der zeitgenössischen Intellektuellen die Welt sieht und vor allem über sie spricht.

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6.  Anleitung zu Verweisen, zum Zitieren und zum Literaturverzeichnis

Seminararbeiten zu einem Thema im Gebiet der Literaturwissenschaft sollen in erster Linie auf eigenen Beobachtungen und Überlegungen beruhen. Jedoch muss man sich hierfür Zusatz- und Hintergrundinformationen beschaffen und sich vor allem mit einschlägigen Arbeiten von Vorgängern befassen. D. h. man wird Informationen und Gedankengänge, die man übernimmt oder auch ablehnend verarbeitet, erwähnen, dem Sinn nach anführen oder auch (möglichst selten) im Wortlaut zitieren. Alle diese diese erwähnten, angeführten oder zitierten Informationen und/oder Gedankengänge muss man – als das geistige Eigentum Anderer – kenntlich machen; außerdem muss man sie seinen Lesern für deren eventuelle eigenen Recherchen durch genaue Quellen- und Stellenangaben auffindbar machen. Das geschieht meist in Fußnoten, etwa nach dem Muster:

1)  Im Folgenden beziehe ich mich auf den sehr instruktiven Ionesco-Artikel von G. Dumur in: Jean-Pierre de Beaumarchais / Daniel Couty / Alain Rey, Dictionnaire des littératures de langue française. 4 Bde. (Paris 21994), S. 1168-72

2)  Vgl. hierzu Wolfgang Leiners Studie "Ionesco Rhinocéros", in: Jürgen von Stackelberg (Hrsg.), Das französische Theater. 2 Bde. (Düsseldorf 1968), S. 45-72, S. 47 ff. Auch Leiner nimmt an, dass [...], vertieft diesen Sachverhalt aber nicht weiter.

3)  Ganz anders deutet das Stück Gert Pinkernell in seinem Artikel "Ionescos Rhinocéros. Erzählung (1956) und Stück (1958) als Reflex der politischen Situation ihrer Zeit" (in: G. P., Interpretationen. Gesammelte Studien [...] (Heidelberg 1997, 175-191). Pinkernell geht davon aus, dass [...]. (Vgl. S. 180).

Wie man sieht, werden bei den Quellen- und Stellenangaben die Titel von sog. selbständigen Publikationen (= Bücher, Sammelbände, Zeitschriften) kursiv geschrieben oder unterstrichen; werden die Titel von sog. unselbständigen Publikationen, d. h. von Beiträgen, Artikeln oder Studien innerhalb von Sammelbänden oder von Zeitschriften, in Anführungstriche gesetzt, stehen der Erscheinungsort (der Verlag wird in der Regel nicht angegeben) und das Erscheinungsjahr in Klammern dahinter. (Bei Zeitschriften wird übrigens normalerweise kein Erscheinungsort genannt.)

Erwähnt man ein und dasselbe Buch bzw. denselben Artikel öfter, braucht und soll man nicht jedesmal die vollständigen bibliographischen Angaben wiederholen; es reicht z. B.: Leiner, op. cit., S. 33 (bzw. Leiner, a.a.O., S. 33 bzw. Leiner [1968], S. 33 bzw. Leiner, Ionesco, S. 33). Zitiert man des öfteren aus dem Text oder den Texten, über die man arbeitet, und/oder verweist man öfter auf konkrete Passagen darin, so sollte man beim ersten Zitat oder Verweis eine Fußnote machen, die besagt, dass man den betreffenden Titel hinfort mit einem Sigel abkürzt (z. B. Rh. statt Rhinocéros oder M. B. statt Mme Baptiste) und dass dahinter stehende Zahlen Seitenangaben sind. Abkürzung und Seitenzahl stehen dann jeweils in Klammern direkt nach jedem Zitat oder jedem Verweis (z. B. Rh., 69). So spart man viele auch für den Leser lästige Fußnoten!

Zitiert man kürzere Passagen – was man in Anführungsstrichen tut –, so muss man sie syntaktisch korrekt in seinen eigenen Text einfügen. Vgl. das Beispiel:

Seinem Freund Jean schreibt Ionescos Ich-Erzähler vielerlei positive Eigenschaften zu. Jean, so sagt er, habe "un cœur d'or" und habe ihm schon "d'innombrables services" geleistet. Allerdings sagt er auch von ihm: "La moindre objection le faisait écumer." (Rh., 68)

Zitiert man längere Passagen – was man aber nicht allzu oft tun sollte –, so schreibt man sie als eigenen, eingerückten Absatz (möglichst in einer kleineren Schrifttype) und ohne Anführungsstriche. Vgl. das folgende Beispiel:

In seinen vorzüglichen, nicht nur für den fachwissenschaftlichen Leser gedachten Vorlesungen zur Geschichte der französischen Literatur (11 Bde., Stuttgart 1985-87) schreibt Erich Köhler (Bd. 10, S. 168):

Die in seinen eigenen Augen geniale Leistung Balzacs war die Systematisierung des Verfahrens, die meisten der in seinen ersten Romanen geschaffenen Figuren anschließend in weiteren Romanen, oft sogar in mehreren, wieder auftreten zu lassen und dadurch sein Romanwerk zu einer Art Gesamtheit zu verbinden: der Comédie humaine.

Wenn man in Zitate etwas einfügt, setzt man das Eingefügte in [  ], wenn man Wörter oder Satzteile auslässt, macht man dies kenntlich durch [...]. (Bitte nicht nur ... machen, weil zumal in französischsprachigen Texten diese drei Punkte als points de suspension Bestandteil der zitierten Textpassage selbst sein könnten!)

Das Literaturverzeichnis am Ende einer Seminararbeit soll grundsätzlich zweigeteilt sein. Zunächst kommen, alphabetisch oder ggf. chronologisch geordnet, die Titel der "Primärtexte", d. h. des Textes oder der Texte, die der Gegenstand der Interpretation waren oder an denen ein bestimmter Sachverhalt aufgezeigt werden sollte. Danach kommen, alphabetisch geordnet, die Titel der "Sekundärliteratur", d. h. der Werke, aus denen man Informationen, Argumente und Gedanken bezogen und mit denen man sich zustimmend oder ablehnend auseinandergesetzt hat. Im Literaturverzeichnis figurieren wegen der alphabetischen Ordnung die Vornamen der Autoren stets hinter den Nachnamen (z. B. Köhler, Erich), während man in Fußnoten besser mit dem Vornamen beginnt (z. B. Wolfgang Leiner). Nachschlagewerke und Literaturgeschichten, aus denen man nur Überblickswissen und allgemeine Informationen zu Autor(en) und/oder Werk(en) bezogen hat, braucht man in der Bibliographie nicht aufzuführen, es sei denn, man hat sie in seiner Arbeit explizit erwähnt oder wörtlich zitiert.

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7.  Leitfragen zur Textinterpretation

Möchte man einen Text interpretieren, d. h. das darin mit und ohne bewusste Absicht des Autors beschlossene Sinnpotential erkennen (was leider immer nur annäherungsweise und nie vollständig möglich sein wird), so können die folgenden Leitfragen hilfreich sein:

1)  Was offenbar (ganz grob nach dem ersten Leseindruck geurteilt) soll der Text in den Köpfen seiner Leser bewegen/ bewirken/ auslösen?

2)  Wann ist der Text entstanden und was ging zu dieser Zeit im Umfeld des Autors vor sich?

3)  In welchen Punkten und in welcher Hinsicht scheint der Text eine Reaktion auf diese Vorgänge, Ereignisse, Entwicklungen gewesen zu sein?

3)  Wie scheint der Autor zu diesen Dingen zu stehen und welche Sicht scheint er bei seinen Adressaten, d. h. den zeitgenössischen Lesern, vorausgesetzt zu haben?

4)  Welche Faktoren im Werdegang und in der seinerzeitigen Situation des Autors könnten seine Sicht der Dinge geprägt haben?

5)  Welche Intentionen verfolgte der Autor ganz offensichtlich im Hinblick auf seine Adressaten und welche Motive scheinen seine Intentionen geleitet zu haben?

6)  Wer und welcher Art waren offenbar die Leser, an die der Autor beim Schreiben dachte, d. h. welcher Sozialkategorie oder auch welchen Sozialkategorien (= gesellschaftlichen Gruppen/ Schichten) gehörten sie anscheinend an und welche Vorstellungen setzte offenbar der Autor bei ihnen voraus?

Interessante zusätzliche Fragestellungen:

1)  Wie ist der Text aufgebaut und wie sind die einzelnen Figuren dargestellt?

2)  Welche formalen Besonderheiten charakterisieren den Text?

3)  Welches ist der Platz des Textes innerhalb der Literatur seiner Zeit, d. h. a) welches sind die Texte, die der Autor als Vorbild gehabt zu haben scheint oder gegen die er anschrieb, und b) wie hat der Text eventuell auf nachfolgende Texte anderer Autoren gewirkt? (Stichwort "Intertextualität")

4)  Inwiefern ist der Text geprägt durch die geistigen Strömungen seiner Zeit?

5)  In welcher Gattungstradition und welchen sonstigen formalen Traditionen steht er?

6)  Welche Stoffe verarbeitet er? Welche Leitmotive und sonstige interessanten Motive enthält er?

7)  Warum offenbar (wenn dem so ist) wird der Text auch heute noch gelesen, und was eventuell könnten heutige Leser aus ihm entnehmen bzw. in ihn hineinlesen?

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8.  Vorschlag einer Leseliste zur französischen Literatur von 1635–1960

 

Die Liste enthält nur solche Werke, die für die Entwicklung der französischen Literatur anerkanntermaßen von Bedeutung sind und von denen ich zugleich aufgrund meiner eigenen Lektüre-Erinnerungen glaube, dass Studierende sie bewältigen und auch interessant finden können. Sie umfasst den Zeitraum von 1635 bis 1960, da hiervor eine Lektüre auf eigene Faust relativ schwierig wird und hiernach meist kein Konsens über das, was wirklich wichtig ist, besteht. Ich empfehle, mit dem 20. Jahrhundert anzufangen und sich mit zunehmender Lese-Erfahrung und Vokabelkenntnis chronologisch zurückzubewegen. Für Leser (und zumal Leserinnen), die noch nie einen französischen Roman im Original von A bis Z gelesen haben, wäre vielleicht Les mots pour le dire (1975) von Marie Cardinal (Verlag "Le livre de poche") ein guter Einstieg. Alle in der Liste aufgeführten Werke müssten in der Universitätsbibliothek vorhanden sein. Sie sind aber auch allesamt in Taschenbuchausgaben der Reihen "le livre de poche", "folio" und/oder "Garnier-Flammarion" (= GF) zu haben, in denen man fast immer auch passable Einführungen findet. An empfehlenswerten französischen Literaturgeschichten in deutscher Sprache sind z. Zt. auf dem Markt die einbändige und preiswerte, vorzüglich geschriebene Kleine Geschichte der französischen Literatur von Jürgen von Stackelberg (Verlag C. H. Beck), die ebenfalls einbändige, aber teurere und anspruchsvollere bis schwer zu lesende von Jürgen Grimm und anderen Autoren (Metzeler-Verlag), sowie die mehrbändigen, für das 17. bis 19. Jh. ganz vorzüglichen und gut zu lesenden Vorlesungen zur Geschichte der Französischen Literatur von Erich Köhler (Kohlhammer-Verlag). Für eine erste Information gedacht ist mein literaturgeschichtliches Kompendium Namen, Titel und Daten der französischen Literatur (im Internet unter www.pinkernell.de/romanistikstudium zu finden). Als Einführung in die Geschichte Frankreichs empfehle ich (am besten auch zur Anschaffung!) die sehr gute Geschichte Frankreichs von Henri IV bis zur Gegenwart von Peter Schunck (Piper-Verlag).

 

20. Jahrhundert

Eugène Ionesco, Rhinocéros : Erzählung (1957) und Stück (1958) zum halb komischen, halb traurigen Thema des politischen Massenwahns.

Butor, Michel, La Modification (1957) : Geschichte eines Mannes zwischen Ehefrau und Geliebter; einer der wenigen gut lesbaren "nouveaux romans".

Vian, Boris, L'Écume des jours (1947), witzig-melancholischer kleiner Roman, über Probleme eines verarmenden jungen Mannes. Ein Kultbuch der 68er Generation.

Anouilh, Jean, Antigone (1941/42) : Stück über die Frage, ob der Einzelne sich im Namen moralischer Maßstäbe gegen den Staat auflehnen darf. Becket (1959) : Stück über das Phänomen, wie jemand sich mit einer ihm zugewiesenen neuen Aufgabe in unerwarteter Weise verändert und wächst. Zwei vorzügliche Stücke!

Beauvoir, Simone de, Mémoires d'une jeune fille rangée (1958) und La Force de l'âge (1960). Die interessantesten beiden Bände einer interessanten Autobiographie.

Prévert, Jacques, Paroles (1946). Vermutlich die bekannteste und sicher nicht die schlechteste Gedichtsammlung des 20. Jh.

Sartre, Jean-Paul, Huis-clos (1943) : Stück über drei Menschen, die aus einem Teufelskreis nicht herauskommen. Le Mur (1938) : psychologisch gut beobachtete Erzählungen. La Nausée (1933-38) : Roman einer Identitätskrise – der von Sartre selbst.

Camus, Albert, L'Étranger (1938-40) : Vielschichtiger, in vielen Punkten autobiographischer Roman um einen seltsamen, aber sympathischen jungen Mann. Eines der meistgelesenen Bücher der letzten fünf Jahrzehnte.

Sarraute, Nathalie, Tropismes (1938) : Psychologisch interessante Erzählungen.

Saint-Exupéry, Antoine de, Terre des hommes (1939). Erzählungen über ganz normale Menschen (meistens Flieger), die Besonderes leisten. Ein lange Zeit vielgelesenes Buch!

Giraudoux, Jean, La Guerre de Troie n'aura pas lieu (1935) : witzig-melancholisches Stück darüber, wie leicht und dumm Kriege entstehen. Amphitryon 38 (1929) : Unbeschwert heiteres Stück über Liebe, Treue und ein bisschen Ehebruch.

André Malraux, La Condition humaine (1933) : Politisch engagierter Action-Roman über Helden einer fehlschlagenden Revolution. Unerreichtes Vorbild für viele ähnliche Bücher.

Colette, Sidonie Gabrielle, La Vagabonde (1911), Sido (1929). Autobiographische Romane, vielleicht die besten der enorm fruchtbaren, oft unterschätzten Autorin.

Marcel Proust, A la recherche du temps perdu (1913-1927). Ein sehr schöner, aber langer, langer Roman über Kindheits- und Jugenderinnerungen aus der Zeit vor 1900. Epochemachend, vielgelobt, vielzitiert, aber wohl nur selten ganz gelesen.

Alain-Fournier, Le grand Meaulnes (1914) : Elegischer kleiner Roman über einen romantischen jungen Abenteurer. Zwischen den Weltkriegen als Kultbuch gelesen.

Gide, André, L'Immoraliste (1902) : Roman eines seine "Selbstverwirklichung" höher als die Solidarität zu seiner Frau setzenden jungen Mannes. Wem das Buch Lust gemacht hat, der lese auch die eigentlich bedeutenderen Gide-Romane Les caves du Vatican (1914) und Les Faux-monnayeurs (1925).

19. Jahrhundert

Maupassant, Guy de, Boule de suif (1880) : Novellensammlung. Une Vie (1883) : Bewegender Roman über eine vom Leben enttäuschte Frau. Bel-Ami (1884) : Nicht immer sympathischer, aber immer interessanter Roman über einen ehrgeizigen jungen Mann.

Zola, Emile, Germinal (1884) : Fesselnder Roman über die sozialen und menschlichen Probleme des Arbeiterproletariats um 1880. Neben L'Assommoir (1877), der das schwere Los einer Pariser Wäscherin schildert, bester der vielen Romane Zolas.

Flaubert, Gustave, Madame Bovary (1851) und L'Éducation sentimentale (1869): Die tragisch endende Geschichte einer vom Leben enttäuschten jungen Frau und die ganz banal endende Geschichte eines ebenfalls enttäuschten jungen Mannes. Zwei Schlüsseltexte des modernen europäischen Romans.

Hugo, Victor, Les Misérables (1862) : Spannender und engagierter Roman über das Leben sozial Benachteiligter in der Zeit um 1850. Hugo gilt mit seinem immensen lyrischen Werk, seinem umfänglichen Theaterschaffen und seinen zahlreichen Romanen bei vielen Literarhistorikern als größter französischer Autor überhaupt.

Balzac, Honoré de, Eugénie Grandet (1833) : Roman über eine am Ende reiche, aber wenig glückliche junge Frau. Le Père Goriot (1834) : Roman über den Beginn des Aufstiegs des jungen Eugène de Rastignac und über das triste Ende des alten Goriot. Die beiden Romane sind die heute meistgelesenen des Super-Romanciers Balzac.

Stendhal, Le Rouge et le Noir (1830) : Roman über den Aufstieg und tragischen Absturz des jungen Julien Sorel, zugleich eine Art Chronik der Zeit um 1830. Gilt als einer der bedeutendsten Romane des 19. Jh. Etwas trivialer, aber vielleicht noch spannender ist Stendhals letzter Roman, La Chartreuse de Parme (1842).

Chateaubriand, François-René, Atala (1801), rührende Erzählung über das tragische Ende eines jungen Mädchens. René (1802), Kurzroman über die Jugendjahre eines vom "mal du siècle", dem "Weltschmerz", Getriebenen. Beide Texte sind Schlüsseltexte der beginnenden Romantik, René war das Kultbuch einer ganzen Generation.

18. Jahrhundert

Bernardin de Saint-Pierre, Paul et Virginie (1788) : Rührender Roman über zwei für einander Bestimmte, die letztlich nicht zu einander kommen. In ganz Europa enorm erfolgreiches Buch, noch im 20. Jh. als Kinderbuch vielgelesen.

Beaumarchais, Le Mariage de Figaro (1784) : Eine der lebendigsten und erfolgreichsten Komödien der französischen Literatur. Von Mozart zu einer Oper verarbeitet.

Choderlos de Laclos, Pierre, Les liaisons dangereuses (1782) : Psychologisch meisterhafter Briefroman über Spiele mit der Liebe, die in bitterem Ernst enden.

Rousseau, Jean-Jacques, La Nouvelle Héloïse (1761) : Briefroman über die große, aber letztlich unmögliche Liebe zwischen der adeligen Julie und dem bürgerlichen Saint-Preux. In ganz Europa enorm erfolgreich und vielfältig nachgeahmt. Interessant ist auch die Autobiographie Rousseaus, Les Confessions (1765–71).

Voltaire, Candide (1759) : Geschichte eines jungen Mannes, der mühsam lernt, dass auf dieser Welt nicht alles optimal ist. Einer der sarkastischsten und witzigsten Texte der französischen Literatur. Witzig und zugleich rührend ist der kurze Roman L'Ingénu (1767), über einen aus Kanada nach Frankreich kommenden jungen Mann, der vieles hier erstaunlich – meist erstaunlich schlecht – findet. Voltaire hat mit seinem immensen Schaffen in praktisch allen literarischen Genera sowie als Philosoph und als Kulturhistoriker wie kaum ein anderer das europäische 18. Jh. – "le siècle de Voltaire" – geprägt.

Diderot, Denis, La Religieuse (ca. 1760) : Spannender und sehr bewegender Roman über das wenig glückliche Schicksal einer jungen Frau, die Nonne werden musste. Der als Philosoph, Wissenschaftsjournalist, Romancier und Dramatiker aktive Diderot gilt neben Voltaire und Rousseau als bedeutendster französischer Aufklärungsautor.

Prévost, l'Abbé, L'Histoire du Chevalier des Grieux et de Manon Lescaut (1731): Spannende und rührende, vielgelesene Geschichte eines jungen Mannes aus gutem Haus, der sich in ein leichtlebiges, erst kurz vor ihrem Tod treu werdendes Mädchen verliebt hat.

Marivaux, La Vie de Marianne (ca. 1730) : Die interessante Geschichte eines Waisenmädchens, das den ihr, wie sie überzeugt ist, zustehenden Platz in der adeligen Gesellschaft zu erobern versucht. Ebenfalls gut zu lesen ist Marivaux' Roman Le Paysan parvenu (1735), die Geschichte eines sympathischen jungen Aufsteigers; und auch sein Stück Le Jeu de l'amour et du hasard (1731) ist immer noch interessant.

Lesage, Alain-René, Gil Blas de Santillane (1715) : Einer der wenigen französischen "Schelmen-" oder "Pikaroromane". Die recht bunte Handlung spielt in Spanien, ist in Wahrheit aber eine Satire auf französische Verhältnisse gegen 1715.

17. Jahrhundert

Madame de La Fayette, La Princesse de Clèves (1678) : Meisterwerk des psychologischen Romans. Geschichte einer hochadeligen jungen Frau, die kurz nach der Heirat ihrer großen Liebe begegnet, dies ihrem Mann gesteht, dem von Liebeskummer geplagten und deshalb bald Sterbenden jedoch treu bleibt, und dies sogar über seinen Tod hinaus.

La Fontaine, Jean, Fables (1668-1695) : Höhepunkt der Gattung Fabel in der europäischen Literatur. Am besten ausgewählte Stücke in Anthologien lesen!

Racine, Jean, Phèdre (1677) : Tragödie um die unglückliche Liebe Phèdres zu ihrem Stiefsohn Hippolyte. Das heute wohl meistbewunderte Stück des vielleicht größten französischer Dramatikers. Schwierig zu lesen!

Molière, Le Tartuffe (1664-69) : Politisch brisante und deshalb jahrelang verbotene Komödie um einen Frömmler, der eine bürgerliche Familie zu beherrschen und auszubeuten versucht und dies fast schafft. L'Avare (1668) : Turbulente Komödie um einen alten Geizhals, der seine Kinder an einem standesgemäßen Leben hindert.

Scarron, Paul, Le Roman comique (1651–57) : Derb-komischer Roman mit eingestreuten Novellen verschiedener Art. Ein für seine 340 Jahre erstaunlich frisch wirkender Text.

Corneille, Pierre, Le Cid (1636) : Ein Stück um den Konflikt zwischen Liebe und Ehre; nicht zu Unrecht sehr erfolgreich, jedoch sowohl aus inhaltlichen wie aus formalen Gründen von einigen Zeitgenossen heftig attackiert. Corneille ist der erste aus der Reihe der großen französischen Klassiker des "Siècle de Louis XIV". (Die anderen sind die Dramatiker Molière und Racine, der Satiriker Boileau, der Fabelautor La Fontaine, der Prediger Bossuet und der Moralist La Bruyère.)

P.S.: Wie Sie festgestellt haben werden, kommt die Lyrik in der Leseliste praktisch nicht vor, obwohl in allen Epochen viel und im 19 Jh. unendlich viel Lyrik produziert worden ist. Ich nehme aber an, dass Sie, wie die meisten heutigen Leser, keine Lyrik-Fans sind – nicht einmal unserer eigenen deutschen. Natürlich sollte jemand, der Literaturgeschichte studiert, dennoch auch Gedichte lesen. Dies tut man am besten in Anthologien, d. h. Auswahlsammlungen, die meist nach Epochen geordnet sind und die anerkannten Highlights enthalten. Insgesamt gilt in Frankreich wie bei uns, dass die Lyrik der vorromantischen Epochen, also der Zeit vor 1800, kaum mehr gekannt und auch im Literatur-Unterricht selten behandelt wird. Die bekanntesten Lyriker der französischen Literaturgeschichte sind heute: der Präromantiker André Chénier (dichtet um 1790), die Romantiker Alphonse de Lamartine (hat seine große Zeit von 1820-30), Victor Hugo (schreibt unendlich viele Gedichte, die besten wohl in den 1830er Jahren), Alfred de Vigny (schreibt seine besten Gedichte gegen 1830) und Alfred de Musset (beste Zeit die 1830er Jahre), die Symbolisten Charles Baudelaire (lässt 1857 seine berühmt gewordene Sammlung Les Fleurs du mal erscheinen), Paul Verlaine (schreibt seine besten Gedichte um 1870) und Arthur Rimbaud (schreibt nur wenige Jahre nach 1870). Spätestens seit Rimbaud entwickeln die meisten sich und ihre Kunst ernst nehmenden Lyriker eine immer stärker werdende Tendenz zur Hermetik, d. h. zu einer Verschlossenheit der Texte, die dem Leser viel, oft Unmögliches abverlangt. Das Ergebnis ist, dass nach 1900 in Frankreich die Lyrik als literarische Gattung marginal wird und nur noch wenige Lyriker, z. B. Guillaume Apollinaire, Jacques Prévert, Boris Vian oder George Brassens, einem breiteren Publikum bekannt sind, und sogar sie oft nur mit zufällig als Chansons vertonten Texten. Gleichwohl entstanden und entstehen auch im 20. Jh. mehr Gedichte, als die meisten Normal-Leser vermuten, und wer ernsthaft sucht, wird leicht seinen eigenen Geheimtip finden.

 

Zum Schluss: Ratschläge für potentielle Studienabbrecher

Nach Auskunft des Arbeitsamtes wechseln in den geisteswissenschaftlichen Fächern über 30 % der Studienanfänger das Studienfach oder brechen ihr Studium ganz ab. Rein statistisch sind also auch unter den Lesern dieser Zeilen potentielle Wechsler und Abbrecher. Im Prinzip ist ein Wechsel oder ein Abbruch auch nichts Schlimmes oder gar Ehrenrühriges. Er zeigt, dass jemand ganz vernünftig die Konsequenz aus der Einsicht zieht, dass er sich gewissermaßen in der Adresse geirrt hat und dass er gut tut, einen Weg zu suchen, der seinen Möglichkeiten und/oder seiner Begabungsrichtung besser entspricht.

Schlimm nur ist, dass viele Wechsler und vor allem die meisten Abrecher, eine solche vernünftige Entscheidung unvernünftig lange vor sich herschieben und dass die letzteren oft erst im dritten oder vierten Studienjahr den eigentlich schon lange fälligen Schritt vollziehen. Wenn sie dann endlich im Arbeitsamt erscheinen, erfahren sie dort, dass sie inzwischen reichlich spät dran und mit ihren 22 bis 24 Jahren schwer vermittelbar sind. Denn bei der Suche nach Lehrstellen stehen sie in Konkurrenz zu 20-jährigen Abiturienten und auch zu jüngeren Abbrechern, d. h. solchen, die rasch gehandelt und damit Entschlusskraft bewiesen haben. Und Hand aufs Herz, wen würden Sie selbst als Arbeitgeber eher einstellen: jemanden, der nur zwei Semester gebraucht hat, um einen offenbar falschen Weg als falsch zu erkennen, oder jemanden, der jahrelang hin und her geschwankt hat?

Deshalb rate ich für den Fall, dass Sie Zweifel daran haben oder bekommen, ob Sie mit dem gewählten Studiengang auf dem richtigen Weg sind, zu folgendem Verhalten:

1) Fragen Sie sich – am besten schon gegen Ende des ersten Semesters – ob Sie meinen, dass die Inhalte der gewählten Fächer Sie überhaupt interessieren. Wenn Ihnen klar wird, dass dies nicht der Fall ist, beginnen Sie sofort mit der Suche nach einem passenderen Fach bzw. Studiengang oder aber einem passenden Beruf und einer Lehrstelle (Einstellungstermin ist hier meist der 1. September oder der 1. Oktober, Bewerbungszeit also Frühjahr/ Frühsommer!).

2) Wenn Sie nach dem ersten Semester zwar schwanken, aber es lieber doch noch einmal versuchen wollen, dann strengen Sie sich in Ihrem zweiten Semester ordentlich an, d. h. arbeiten Sie in den obligatorischen Proseminaren und Übungen sehr aktiv und gewissenhaft mit und schreiben sie die verlangten Arbeiten und ggf. Klausuren mit möglichst guten Ergebnissen. Nur so haben Sie eine Chance, sichtbare Fortschritte zu machen und sich damit Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Es ist eine alte Erfahrung, dass man langfristig Freude nur an den Dingen findet, in die man Mühe und Fleiß investiert, und dass man auch seinen Beruf (und Studieren ist ein solcher!) nur dann als befriedigend erlebt, wenn man ihn so ernsthaft und mit soviel Energie betreibt, dass man vor sich selbst bestehen kann und sich vor anderen nicht verstecken muss.

3) Wenn Sie – zur Zeit oder später – das Gefühl haben sollten, dass Ihre Situation insgesamt verfahren und schwer zu bewältigen ist, dann nutzen Sie bitte das psychologische Beratungsangebot der Zentralen Studienberatungsstelle der Universität. Dort werden Sie als erstes die beruhigende Feststellung machen, dass andere Studenten ähnliche Schwierigkeiten haben wie Sie, und Sie werden erleben, dass man etwas dagegen tun kann, und zwar meist leichter, als Sie gedacht haben (obwohl naturgemäß auch hier gilt, dass man sich anstrengen muss und dass von nichts nichts kommt).

4) Sollten Sie dagegen zu der Überzeugung gelangen, dass Sie nur ein falsches Studienfach oder den falschen Studiengang gewählt haben und ein anderes Fach Sie viel mehr interessiert, beginnen Sie noch in den letzten Wochen des laufenden, spätestens aber des zweiten Semesters mit der aktiven Vorbereitung eines Wechsels, d. h. gehen Sie schon einmal in Vorlesungen der eventuellen neuen Fächer und lassen Sie sich zum nachfolgenden Semester umschreiben. Ein Fachwechsel und auch ein kompletter Studiengangwechsel nach dem ersten oder zweiten Semester bedeuten erfahrungsgemäß keine Verlängerung der Gesamtstudienzeit, zumindestens dann nicht, wenn Sie anschließend mit Konsequenz und Freude studieren.

Die Frage, ob man einen eigentlich seinen Neigungen entsprechenden und interessanten Studiengang aufgeben oder wechseln sollte, nur weil er im Augenblick kaum Berufsperspektiven zu eröffnen scheint, ist schwer zu beantworten. Im Allgemeinen gilt, dass ein zügig, mit Freude und mit guten Noten durchgeführtes Studium gleich welcher Fachrichtung mehr Möglichkeiten eröffnet, als ein vermeintlich sicheres Studium, durch das man sich lustlos, mühsam und mit schlechten Noten hindurchgequält hat. Auch kann heute niemand vorhersagen, welche Qualifikationen in vier, fünf Jahren am Arbeitsmarkt gut gehen, und oft führt gerade ein für sicher gehaltener Studiengang in Probleme, weil zu viele Andere ihn ebenfalls für sicher gehalten haben und dann die Konkurrenz am Arbeitsmarkt vermehren.